Eine auf Konkurrenz beruhende Gesellschaft, in der die Bürger gläsern sind, damit Firmen die Daten für ihren Profit nutzen können.
Hannah geht auf eine Grundschule, die von Göögle betrieben wird. Sie ist ununterbrochen bemüht gute Leistungen zu erbringen und einen hohen Social Score zu erlangen. Auf diese Weise erhofft sie sich später einen guten Job zu ergattern und viel Geld zu verdienen.

Hier kannst du das Hörbuch anhören und*oder die Geschichte durchlesen:
Der Wecker klingelt. Sofort öffne ich meine Augen und schlage die Decke zurück. So habe ich es in der Schule gelernt. Wer den Tag verschläft ist ein Verlierer. Ich heiße Hannah, bin 9 Jahre alt und gehe 6 Tage in der Woche in die regierungseigene Schule des Göögle Unternehmens. Das hat sehr viele Vorteile, weil ich gute Chancen habe einmal selbst für das Unternehmen zu arbeiten, so wie Mama und Papa.
Routiniert gehe ich ins Badezimmer und mein Smartphone spielt meine Lieblingslieder, während ich dusche, meine Zähne putze und meine Schuluniform anziehe. Ich mag die Farben von dem eingestickten Logo sehr! Blau, Gelb, Rot und Grün sind die Buchstaben von Göögle. Mein Handy macht „Pling“ und schnell schaue ich darauf. Ein leuchtend grüner Smiley lacht mich an und sagt mir, wie gut ich schon wieder meine Zähne geputzt habe. Mein Bewertungsscore in der Kategorie Gesundheit klettert ein klein wenig nach oben.
Um den Smiley fliegt jetzt Konfetti herum. Das macht mich überglücklich. Einen guten Bewertungsscore zu haben ist extrem wichtig! Und erst recht bin ich glücklich darüber, dass meine Freunde wie immer nicht so gut waren wie ich. Das kann ich an der Punktetabelle sehen, die soeben auf meinem Smartphone aufploppt. Mama wartet schon stolz in der Küche und schiebt mir meine tägliche Vitamintablette zu. Es ist viel einfacher einmal zum Frühstück so eine Tablette zu nehmen anstatt den ganzen Tag über Obst und Gemüse essen zu müssen.
Vor allem seitdem Göögle die Rezeptur verbessert hat bin ich den ganzen Tag total wach und konzentriert. Meine Hände zittern etwas, aber das vergeht bestimmt wieder. „Hannah, du bist ein Vorbild für alle deine Freunde und beim nächsten Zahnarzttermin darfst du dir aus dem Assistent-Center eine Belohnung abholen!” sagt meine Mutter euphorisch. “Ich wünschte dein älterer Bruder wäre mehr so wie du”. Sie schaut traurig auf den Küchentisch herunter.
Mein Bruder ist das genaue Gegenteil von mir. Er lernt nicht gerne und sagt andauernd, dass wir an die Umwelt denken müssen und das Tabletten nicht die Lösung sind. Außerdem ist er der Meinung, dass es zu viele arme Menschen gibt und dass man denen helfen muss, weil unser System nicht funktioniert und nicht sozial ist. Aber da hat er unrecht mit. Die Menschen, die nicht arbeiten, die haben halt auch nichts!
Außerdem würde sowas doch in den Nachrichten kommen, wenn es den Menschen wirklich so schlecht gehen würde. Mama und Papa haben ihn in ein Erziehungs-Camp geschickt, damit er zur Vernunft kommt. Ich glaube, dass er einfach zu dumm ist. Mama wird immer so traurig, wenn sie an ihn denkt, aber mich macht er einfach nur wütend! Mama blickt mich etwas zerstreut an. “So jetzt nimm´ schnell die Tablette. Du weißt sie ist gut für dich und dann rutscht du im Ranking nicht nach unten” sagt sie hastig. “Und hier ist außerdem dein Essen für die Pause”.
Ich schlucke die schöne, bunte Tablette hinunter, die mir alle nötigen Nährstoffe gibt, und packe mein frisch gedrucktes Essen ein, Kartoffelpüree mit Thunfischgeschmack, um meinen Magen zu füllen. So bekomme ich keinen Hunger. Jetzt kann ich mich endlich auf den Weg zur Schule machen. Denn der pünktliche Vogel fängt den Wurm und den besten Job bekommt er später auch noch. Ein paar Minuten später sitze ich im Auto. Wir haben drei Göögle-Cars, weil das praktischer ist.
So kann mein Vater mit dem silbernen zur Arbeit fahren, Mama fährt im schwarzen und ich habe das rote ganz für mich alleine, das mich zur Schule bringt. Es ist echt cool, dass die Autos von selber fahren. So kann ich während der Fahrt noch Lernen oder mit Freunden schreiben. Ich habe gelernt, dass die Autos durch die Übertragung von Daten und durch ganz viele Sensoren und komplizierte Berechnungen genau wissen, wo und wie sie fahren müssen. Autonomes Fahren ist der Begriff dafür, sagt mein Papa immer.
Weil die Autos untereinander kommunizieren gibt es keine Staus mehr. Das war wohl früher ein großes Problem. Gut, dass nicht jeder so ein Auto haben kann. Sonst wären die Straßen ja total verstopft und es gäbe immer noch Staus. Mein Vater heißt Gerd und arbeitet in einer ganz hohen Position an der Börse. Da beobachtet er die gesammelten Daten von vielen Menschen aus der ganzen Welt. Die Daten von manchen Menschen sind natürlich mehr wert als die von anderen.
Meine Mama ist Datenpolizistin. Das ist auch ein sehr guter Beruf. Sie bekämpft die Hacker, die versuchen Fake Accounts zu erstellen und Daten aus dem System zu löschen. Alle aus meiner Familie haben super Jobs bei Göögle, mit Außnahme von meiner älteren Cousine. Die ist nicht so gut in der Schule gewesen und arbeitet jetzt als Datenreinigungsfachkraft. Dort sortiert und entsorgt sie den Datenmüll fremder Leute.
Wir sehen sie nicht so häufig und zu unseren Gartenfeiern wird sie nicht mehr eingeladen. Meine Mama sagt immer, dass sie bestimmt eh bald arbeitslos wird, weil der Job so anspruchslos ist, dass er auch von einer Maschine übernommen werden kann. Unterwegs teile ich auf meiner Instagrim Seite meinen neuen Social Score. Meine Oma kommentiert das mit einem Herzemoji. Mein Auto lässt mich vor dem Schuleingang raus und fährt weiter in das unterirdische Parkhaus. Es ist 8 Uhr, mein Schultag beginnt.
“Gööglekunde – Die Geschichte unserer Zeit” habe ich als erstes. Danach stehen Programmieren, Webdesign und meine Lieblingsfremdsprache JavaFX auf dem Plan. In der kurzen Pause habe ich sogar Zeit für einen Videochat mit meiner Freundin Paula, die gerade ein Auslandsjahr macht. Vor ein paar Tagen habe ich meinen ersten Job-Test gemacht. Der ist unglaublich wichtig, denn hier wird entschieden für welchen Beruf man in der Schullaufbahn ausgebildet wird.
Mein vorgeschlagener Traumjob ist in der Energiebranche. Da möchte ich unbedingt hin, denn ohne die Energie könnten unsere Autos nicht fahren, das Internet würde nicht funktionieren und es könnten keine Daten mehr von den Menschen gesammelt werden. Das wäre super schlecht für das Leben miteinander.
Seit mehreren Jahren ist das Energienetz wieder sehr gut ausgebaut, weil sich viele Investoren dafür eingesetzt haben in Gebieten, in denen keine Menschen wohnen, Atomkraftwerke zu bauen. So gibt es ganz viel saubere Energie und die Lagerung von dem Müll ist auch kein Problem für die Umwelt. Es gibt Lager in der Erdumlaufbahn, die weit genug von den Menschen entfernt sind. Das finde ich so toll und spannend. Ich glaube ich möchte mit Atomenergie arbeiten, wenn ich groß bin.
Die Schule finde ich super. Nur, dass es eine staatliche Schule ist, finde ich nicht ganz so toll. Ich hoffe meine Noten werden bald so gut, dass ich auf das Internat gehen kann. Aber bis ich zu dieser Elite gehöre, muss ich noch einiges tun. Ich hoffe die Kontakte von meinem Papa erleichtern mir den Weg. Mama ist dafür, dass ich auf dieses Internat gehe. Sie meint, dass sie mich am liebsten sofort nach meiner Geburt dort angemeldet hätte, aber meine errechneten Noten waren nicht gut genug. Bald werden sie es aber sein!
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