Eine auf Gemeinschaft beruhende Gesellschaft, in der die Bürger gläsern sind, um Chancengleichheit zu gewährleisten und Ressourcen zu sparen.
Malina ist Grundschullehrerin. Als sie mit ihrer Klasse die Ausstellung “Die Schrecken des Kapitalismus” besucht, ereignet sich ein Hackerangriff, der das gesamte System betrifft.

Hier kannst du das Hörbuch anhören und*oder die Geschichte durchlesen:
Mein Armband vibriert. „Malina, wenn du jetzt aufstehst kannst du mit deinen Mitbewohnern zusammen frühstücken. Dadurch sparst du drei Ressourcenpunkte gegenüber einem Frühstück alleine.“ ertönt die leicht nervige Ansage meines Armbandes namens Alice „Ist ja schon gut, ich stehe jetzt auf“ murmele ich verschlafen. Ich ziehe meine Pantoffeln an und schlurfe in den Flur. Dort steht einer meiner 12 Mitbewohner vor den Kleidungsröhren.
„Na was ziehe ich denn heute schönes an?“ sagt Patrick und zieht schwungvoll einen Anzug aus der Röhre, die mit „Large“ beschriftet ist. Die ganze Menschheit trägt diese weißen Anzüge, und zwar jeden Tag. Andere Kleidungsstücke gibt es nicht. Müde setze ich ein Lächeln auf und gehe in eins der Bäder. Nachdem ich meine Zähne geputzt, geduscht und mir ebenfalls so einen Anzug angezogen habe, mache ich mich auf den Weg in den Essenssaal.
„Malina, du hast gerade 100 Liter Wasser verbraucht. Dein neuer Ressourcenpunktestand für diesen Monat beträgt 310.“ „Alice, lass mich raten, wenn ich mit meinen Mitbewohnern zusammen geduscht hätte, hätte ich Ressourcenpunkte sparen können, oder?“ frage ich etwas sarkastisch. „Natürlich, aber es wäre vielleicht unhöflich gewesen so etwas vorzuschlagen. Ich würde dir übrigens empfehlen ein Müsli mit Nüssen zu essen. Ich habe einen leichten Mangel an Magnesium in deinem Blut festgestellt.“ sagt Alice.
Im Essenssaal hole ich mir mein Müsli und setze mich an einen freien Platz. „Na Malina, wie sieht dein Tag heute aus?“ fragt mich Makrem. Er wohnt auch hier in dem Wohnkomplex in einer anderen WG. „Ich gehe heute mit meiner Grundschulklasse in die Ausstellung „Die Schrecken des Kapitalismus“. Die wird heute eröffnet.“ antworte ich. „Das klingt echt interessant. Da muss ich auch mal hin“. Ich bin schon sehr gespannt auf diese Ausstellung und freue mich, dass ich den Tag mit meiner Schulklasse verbringen werde.
Ich kann mir nur schwer vorstellen, wie es gewesen sein muss im Kapitalismus zu leben. Dadurch, dass heutzutage alle Daten für jeden offen liegen, kann genau ermittelt werden wie viele Lebensmittel und sonstige Güter produziert werden müssen. Diese digitale Planwirtschaft funktioniert seit Jahren sehr gut und es gibt selten eine Überproduktion. Falls es einmal zu einem Ernteausfall kommen sollte gibt es natürlich Notspeicher mit haltbaren Lebensmitteln.
Vor allem die neue Währung hat vieles verändert. Ressourcenpunkte sind unsere heutige digitale Bezahlform. Der Preis von jedem Produkt und jeder Dienstleistung wird nach Ressourcenverbrauch berechnet. Jeder Bürger und jede Bürgerin erhält ein bedingungsloses Grundeinkommen in Form von diesen Ressourcenpunkten. Die Höhe dieses Einkommens ist für jeden gleich. Man kann die Punkte nicht lange sparen oder weitervererben. Somit sind alle Menschen finanziell gleichgestellt; Chancengleichheit und der Sinn für die Gemeinschaft ist ein essentieller Teil unseres Zusammenlebens.
Meine Uroma erzählt oft Geschichten davon, wie sie damals zwei Jobs hatte und trotzdem kaum über die Runden kam, während ihre Chefs „sich ein goldenes Näschen verdienten; zum Sterben zu viel, zum Leben zu wenig“ sagt sie dann immer. Die Kinder von unserem Wohnkomplex lauschen gerne ihren Schauergeschichten. Diese Währung gewährleistet außerdem, dass unsere Gesellschaft keine Ressourcenverschwendung betreibt und ruft eine Nähe und Achtung zur Natur hervor, die im Kapitalismus völlig abhandengekommen war.
Arbeiten wird heute ganz anders definiert als früher. Da durch die Automatisierung ungefähr 50 Prozent der alten Jobs wegfielen, wurde das Grundeinkommen eingeführt und Arbeit als freiwillig erklärt. Direkt danach lief natürlich erst einmal vieles sehr durcheinander. Aber mittlerweile hat es sich so eingependelt, dass jeder ungefähr 20 Stunden pro Woche Zeit für das gesellschaftliche Zusammenleben aufbringt. Das kann ganz unterschiedlich aussehen.
Ich bin Grundschullehrerin, mein Vater kümmert sich sehr viel um die Kinder und alten Menschen im Wohnkomplex und meine Tante ist in der Stadtentwicklung tätig. Einfache und körperlich anstrengende Arbeiten werden fast ausnahmslos von Maschinen übernommen. Natürlich gibt es auch Leute, die gerne wieder zurück in das alte System möchten. Vor allem die, die aus Familien kommen, die zuvor viel Geld und Macht besaßen. Unsere Superintelligenz Charlie konnte deren Angriffe bisher aber zum Glück mit Leichtigkeit abwehren.
„Malina, voraussichtlich bist du in 5 Minuten mit deinem Frühstück fertig. Soll ich dir einen Elektrobus ordern?“ fragt Alice. „Ja ok.“ nuschele ich mit vollem Mund. „Du hast Glück, 20 weitere Leute wollen demnächst in die gleiche Richtung. Der Elektrobus steht in 10 Minuten vor dem Wohnkomplex bereit.“ verkündet Alice erfreut. Nach einer zehnminütigen Fahrt stehe ich vor dem Museum. Früher hätte das bestimmt länger gedauert. Da hatten viele ein eigenes Auto und dadurch gab es ständig Staus.
Zum Glück funktioniert das jetzt ganz anders. Ich muss nicht lange warten und meine Schüler und Schülerinnen trudeln ein. Alle sind ganz aufgeregt und neugierig auf die interaktive Ausstellung. „So, ich habe mit Charlie zusammen einen Parkour durch das Museum erarbeitet. An den verschiedenen Stationen in der Ausstellung könnt ihr gemeinsam Aufgaben lösen. Eure Armbänder teilen euch wie immer alles Nötige mit.“ sage ich mit leicht erhobener Stimme. „Also lasst uns reingehen und direkt starten.“ Schnell verteilen sich meine Schüler in der Ausstellung und fangen an den Parkour zu bearbeiten.
Plötzlich ist alles dunkel. Alle Lampen und Bildschirme gehen aus. „Malina, was ist hier los?“ ruft einer meiner Schüler verängstigt. Ich stehe ratlos im Dunkeln. „Alice, ist das ein Stromausfall?“ frage ich, aber sie antwortet mir nicht. Keines der Armbänder antwortet. Dann flackern auf einmal ein paar der Bildschirme auf. Man sieht das Gesicht von unserer Superintelligenz Charlie. Es ist leicht verpixelt und flackert hektisch. Eine aggressive, blecherne Stimme ertönt, die gar nicht nach Charlie klingt. „Wir haben keine Lust mehr auf diese digitale Diktatur! Na, was macht ihr jetzt ohne Strom?“
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